Zitat der Woche: Der Kampf der Niedergeschlagenheit und Angst

Die Monografie des Calvin-Spezialisten Herman J. Selderhuis, Gott in der Mitte, Calvins Theologie der Psalmen, ist eine Goldgrube. Er weitet das Herz. Noch selten habe ich ein Werk gelesen, das mich so unmittelbar ins Gebet führte. Ich führe einige Ausschnitt aus dem Kapitel Gott, der Vater, an (Seitenzahlen in Klammern; zudem Belegstelle aus Calvins Werk ebenfalls in Klammern).

Glaubenskampf

(247) ‘Gläubige sind nicht aus Eisen, und sie kennen auch keine stoische Härte, die sie gegen Schmerz und Kummer betäubt, sondern in ihrem Innersten haben sie einen schweren Kampf mit Niedergeschlagenheit und Angst auszufechten.’ (Ps 61,1; CO 31,581)

(248) (D)ie meiste Aufmerksamkeit erhält die Anfechtung, dass ein Gläubiger das Geschehen in seinem Leben und in der Welt nur schwer mit der Allmacht und Vorsehung Gottes verbinden kann. Treffend sagt Clavin über die Anfechtung, dass der Gläubige sich stets in der Lage findet, in der ‘nicht gewiss ist, und nichts feststeht’ und in der die Fragen auf ihn zukommen: ‘Was soll ich noch glauben Was kann ich noch hoffen? Wohin kann ich noch flüchten?’ (Ps 116,11; CO 32,197) Es ist diese Situation, die einen Gemütszustand hervorbringt, der von Calvin vielfältig als tristitia betrachtet wird (Ps 116,5; CO 32,195). Diese tristitia wird zu desperatio, wenn ein Mensch seine Schwierigkeiten nicht bei Gott abwirft, sondern sie für sich selbst behält und sich so innerlich immer mehr darin verstrickt (Ps 62,9; CO 31,589). … Gläubige können so sehr von diesem Trübsinn in Beschlag genommen sein, dass ‘das Licht des Glaubens in ihnen erstickt ist’ (Ps 88,6; CO 31,807). Auch tröstet Gott nicht immer, und kann das Anrufen seines Namens sogar eine Enttäuschung verursachen (Ps 77,4; CO 31,712). … Die Ursachen dieses Glaubenskampfes sind zweierlei: der Widerstand, der von aussen her auf den Gläubigen zukommt, und die Schwachheit des eigenen Glaubens.

Der Mensch zwischen Gott und Satan

(249) Sobald jemand beginnt, auf Gott zu vertrauen, muss er sich zugleich auf die Angriffe des Satans vorbereiten (Ps 32,24; CO 31,709). … Calvin weist hin auf das Band zwischen Christus als dem Haupt und den Gläubigen als seinem Leib. Gottes Sohn war das (Angriffs-)Ziel des Satans, und darum wird er auch den Leib Christi sicher nicht verschonen (Ps 22,8; CO 31,220).

(249-250) Wir ziehen Schlüsse aus unserer Wahrnehmung des Standes der Dinge, und so kommen wir zu verkehrten Gedanken über Gott (Ps 22,2; CO 31,220). … So spielt sich in eines Menschen Herz ein Streit ab, in dem der Satan versucht, das Herz mit verkehrten Gedanken über Gott und uns selbst besetzt zu halten (Ps 32,2; CO 31,318). … Darüber hinaus gehört es zu seiner Taktik, Chaos in unsere Gedanken zu bringen, so dass unsere Aufmerksamkeit aufgesplittert wird und wir uns nicht mehr allein auf Gott ausrichten können (Ps 41,11; CO 31,423).

(251) Der Glaube ist ständig in Bewegung, da die Spannung zwischen Hoffnung und Furcht bleibend vorhanden ist. Gläubige haben es stets mit zwei Arten von Gefühlen zu tun. Auf der einen Seite werden sie durch Gefühle von Angst und Sorge zerrissen, und auf der anderen Seite beseelt Gott sie mit einer verborgenen Freude, die es ihnen zu verhüten hilft, dass sie durch die anderen Gefühle verschlungen werden (Ps 94,18; CO 32,27).

(252-253) (Satan) ist es, der von diesen Situationen Gebrauch macht, um uns mit dem Gedanken zur Verzweiflung zu bringen, dass Gott uns nicht länger mit seinem Geist unterstützt und nicht mehr für unser Heil sorgen will (Ps 55,5; CO 31,536). … ‘Der Satan hat keinen tödlicheren Pfeil, um das Herz damit zu verwunden, als dass er versucht, unsere Hoffnung dadurch zu vertreiben, dass er Gottes Verheisungen lächerlich macht.’ (Ps 22,8; CO 31,225)

(253) Gottes Kinder werden stets auf den Wellen der Versuchung hin- und hergeworfen (Ps 116,7; CO 32,194). Jedesmal, wenn wir in einer Situation, in der er uns mit einem Kreuze übt, geduldig auf Gottes Willen vertrauen, meldet sich der Satan, um uns zur Ungeduld zu verführen, in der Hoffnung, dass wir uns dadurch gegen Gott erheben.

(254) Calvin zufolge ist es sogar so, dass die Gläubigen oft straucheln und dass der Satan sie dann in eine dichte Finsternis verwickelt, dass Gottes Wort ihnen beinahe nichts mehr bedeutet (Ps 116,11; CO 32,293). … Satan versucht zu verhindern, dass wir den Weg des Gesetzes Gottes gehen, und wird stets versuchen, uns davon zu befreien.

(254) Eine andere Taktik hat Satan für jene, denen es gut geht. So ist seine Politik bei ihnen darauf gerichtet, die Glaubenskraft zu Selbstvertrauen umzubauen, um so den Glauben zu lähmen (Ps 17,5; CO 31,161).

Die Schwachheit des Gläubigen

(255) ‘Wenn es uns gutgeht, scheint jeder von uns ein unbesiegbarer Soldat zu sein, aber sobald der Kampf ernstlich beginnt, kommt unsere Schwachheit offen an den Tag, und das ist der Moment, in dem Satan seine Chance wahrnimmt.’ (Ps 55,5; CO 31,536)

(256) Gläubige ‘sind zu Misstrauen und ungläubigen Zweifeln geneigt’, und darum müssen ihnen immer wieder Gottes Verheissungen vorgehalten werden (Ps 12,7; CO 31,129). Die Schwachheit bringt es mit sich, dass Gläubige nicht kontinuierlich imstande sind, Angriffe abzuwehren, so dass es Zeiten von Erschlaffung geben kann (Ps 17,15; CO 31,168).

(256) Gott fordert keine Vollkommenheit, sondern Echtheit (Ps 111,1; CO 32,167).

Mittel gegen Anfechtungen

(257) Unter den Menschen werden ja deine Gedanken wirr und geteilt, aber wenn du allein bist, kannst du ruhig zu dir selbst kommen, vor deinen eigenen Taten erschrecken und den Weg zu Gott zurückfinden. So kann der Gläubige zur Besinnung kommen (Ps 4,5; CO 31,61).

(257) Es ist sogar so, dass der Glaube gerade Früchte hervorbringt, wenn er sich inmitten von Gefahren auf den Beinen halten muss (Ps 27,3; CO 31,272-273).

Zweifel an Gottes Gnade

(258) Das Gebet steigert … den Schmerz über die Sünden. Calvin sagt, dass das Gebet als der Gang des Sünders zu Gott dann genau so etwas ist, wie Holz auf das Feuer zu legen. … Gott ist gnädig, weil Er Gott ist, und darum muss jedes Gebet bei der Vergebung beginnen.

(259) ‘Und wir würden uns doch sicher auch in einem erbärmlichen Zustand befinden, wenn wir jeden Moment wieder ängstlich sein müssten, dass Gottes Gnade auf einmal nicht mehr für uns da sein könnte!’ (Ps 16,8; CO 31,155)