Kolumne: Als ich jung war, musste ich mit in den Gottesdienst

Die Ostern stehen vor der Tür. Im Büro fragt einer den anderen: Und, was machst du an Ostern? (Interessant:  Es wird stets nach Aktivitäten gefragt. Nicht nach Seinsqualitäten.) In der Jugend, da mussten sie mit in den Gottesdienst gehen. Die anderen fuhren an den Gardasee. Sie gingen bis fünf Uhr morgens in den Ausgang. Oder sie zockten in der Gruppe durch.

Doch diese Zeiten gehören der Vergangenheit an. Seit sie junge Erwachsene waren, sind sie diesem Gefängnis entkommen. Sie haben sich stramm in die Welt des Konsums eingefügt. Mit begierigen Zügen tranken sie die alternative Weltsicht. Her mit den exklusiven Urlauben. Her mit den Medien rund um die Uhr. Her mit dem Gang in den schicken Club.

Ab dann huldigten sie der Religion des Säkularismus. Es entging ihnen, dass es sich um eine Weltsicht handelt, die ihren Lebenssaft aus christlichen Wurzeln bezieht. Die gesamte Kultur, aber auch die Infrastruktur und die technischen Errungenschaften sind wesentlich durch eine christliche Weltsicht initiiert worden. Das wird unbesehen hingenommen. Man sägt am Ast, auf dem man sitzt.

Dies meine ich nicht nur gesellschaftlich gesehen. Es geht mir um den Einzelnen. Das Halbwissen der Jugend verblasste von Monat zu Monat. Zurück bleiben seltsam deformierte Krater, die scharfen Kanten irgendwelcher Äusserlichkeiten. Ihre innere Schaltzentrale wird langsam auf die neue Religion umgepolt. Gefühl, Wille und Verstand passen sich an die neuen Gegebenheiten an.

Es sind mit die dogmatischsten Menschen, die ich kenne. Sie huldigen der Religion des Säkularismus auf eine Art, wie ihre Nachbarn es nie taten. Ängstlich halten sie sich an die Gebote der Ich-Religion. Dies wird besonders deutlich, wenn sie Kinder bekommen. Innerlich programmiert ist der Satz: „Sie sollen es anders haben.“ Es fragt sich nur, wie dieses „anders“ denn aussieht. „Frei sollen sie sein.“ Es geht wohl um die vermeintliche Autonomie. Das bedeutet: Abhängigkeit vom Strom der Zeit. Man bindet sich an den Pflock des Augenblicks.

Ich bin nun über 20 Jahren erwachsen und gehörte zu denen, die (modifiziert) beim Erbe der Väter blieben. Aufmerksam verfolge ich aus der Distanz Lebenswege von „Befreiten“. Es bietet sich mir ein erbärmliches Bild. Die sklavische Abhängigkeit von Konsum und vor allem von den Medien ist für mich überdeutlich.

So schlittern diese „Befreiten“ mit offenen Augen in die hässlichen Konsequenzen des säkularen Lebensstils hinein. Die Abkühlung der innerfamiliären Beziehungen vollzieht sich rasant. Das Hamsterrad von verdienen und ausgeben dreht immer schneller. (Das ist ein Prinzip des Konsums: Der Stimulus muss in kürzeren Abständen und höheren Dosen erfolgen, um noch einen Effekt zu erzielen.)

Ihre ehemaligen Schulkollegen, auf diese sie anno dazumals neidisch waren, haben sich längst anders orientiert. Zum Beispiel gehen sie ins Yoga und in die Natur. Sie bevorzugen leichtes Essen. Vom Konsumballast haben sie sich verabschiedet. Aufmerksam studieren sie alternative Wege der Bildung für ihre Kinder. Offen geben sie zu: „Ich bin auf der Suche.“

Es liegt mir fern, mich irgendeines Verdienstes zu rühmen. Dass Jesus gerade mich gewählt hat, ist Teil seines Planes und in keiner Weise auf mich zurückzuführen. Die Festtage sind aus meiner Erfahrung „sensible“ Zeiten. Irgendwie regt sich doch unser – ja, was ist es genau? – Gewissen. Falls du diesen Beitrag liest und dich (wenn auch nur teilweise) wieder erkennst, dann rufe ich dir zu: Sieh dir das Ganze doch erstmals richtig an. Aber diesmal bitte gründlich und aus eigenem Antrieb.