Die Welt war kalt, und es gab keine Hoffnung – nicht für Kant, und vielleicht für keinen von uns. Scheffner wusste nur zu gut, dass Kant davon überzeugt gewesen war, nach dem Tode sei nichts zu erwarten. Mochte er auch in seiner Philosophie die Hoffnung auf ein ewiges Leben und eine künftige Existenz hochgehalten haben, in seinem Privatleben hatten ihn solche Ideen kalt gelassen. Scheffner hatte häufig gehört, wie sich Kant verächtlich über Gebete und andere religiöse Praktiken äusserte. Die organisierte Religion erfüllte ihn mit Zorn. Jedem, der Kant persönlich kannte, war klar, dass ihm der Glaube an einen persönlichen Gott fremd war. Gott und Unsterblichkeit hatte er zwar postuliert, glaubte aber selbst an keines von beiden. Seine feste Überzeugung war, dass derartige Glaubensvorstellungen lediglich eine Sache des ‘individuellen Bedürfnisses’ seien. Er selbst empfand kein derartiges Bedürfnis.
Manfred Kühn. Kant. Eine Biografie. dtv: München, 2007.