Input: Digitalisierungs-Mythen an der Schule

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Gerhard Steiner (* 1937), emeritierter Psychologieprofessor, stellt einige bedenkenswerte Antworten zu verbreiteten Thesen auf:

Das Lernpotenzial wird ausgeschöpft. 
Entscheidend sind ganz andere Faktoren: genug Lernzeit ohne permanente organisatorische oder technische Ablenkung, Sichtbarmachen der Lernfortschritte mit konstruktiven Rückmeldungen samt der Forderung, im Falle von Lücken im erworbenen Wissen oder Können nochmals eine oder auch mehrere «Lernrunden» zu fahren.

Digitalisierung erspart Wissenserwerb.
Der Computer hat kein Wissen: Er kann Information liefern, das «Roh- material» für künftiges Wissen. Wer lernen will, braucht Wissen – und zwar aus dem Kopf, weder von einer Harddisk noch aus dem Internet! Dieses unmittelbar greifbare Wissen bildet den «fruchtbaren Boden» für den Erwerb weiteren Wissens.

Bilder erleichtern das Lernen bis zur Mühelosigkeit.
Entscheidend sind zwei Voraussetzungen, wenn Bilder lernwirksam werden sollen: Zum einen muss Vorwissen zum Bildinhalt da sein, d.h. verstandene Bedeutungen und passende Stichwörter; erst diese erlauben ein Verarbeiten der Bildelemente (z.B. ein Vergleichen oder Verknüpfen) und ein Reden über sie. Und zum anderen muss die Wahrnehmung der Lernenden gelenkt werden: Sie müssen wissen, wo- hin sie schauen sollen.

Die Digitalisierung bringt die Welt ins Klassen- bzw. Wohnzimmer.
Die Welt nicht, sondern Bilder von ihr. Aber genau diese Tatsache verhindert viel zu oft echte Erlebnisse.

Die Digitalisierung macht den Lernenden selbständig.
Der Alltag sieht oft anders aus: Wer Mühe hat mit einer Hausaufgabe, klickt die Lösung an; so einfach geht das. Lerneffekt: null.

Die Digitalisierung fördert das Üben.
Meistens ist das Gegenteil der Fall: Digitalisierung killt das Üben immer dann, wenn den Lernenden vorgegaukelt wird, wie gut sie nach kurzer Zeit schon seien. Sie brechen das Üben dann zufrieden ab – typischerweise nach einem gelösten Beispiel. 

Die Digitalisierung schafft Chancengleichheit.
Wenn, dann betrifft dies vor allem die ohnehin schon guten und effizienten Lernerinnen und Lerner.

Wer nicht aufspringt, verpasst den Anschluss.
Wer genau soll da überfordert sein und in welcher Beziehung? Und wer hat überhaupt diese Überforderungs-Diagnose gestellt? In wessen Kompetenz und Verantwortung liegt es, in dieser bildungspolitischen Situation ein bestimmtes Tempo zu diktieren.