Standpunkt: Warum Timothy Kellers Kulturapologetik ein Auslaufmodell darstellen könnte

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Ich bin Timothy Keller zu grossem Dank verpflichtet. Das Studium seines Lebenswerks, in diesem eBook zusammengefasst, war für mich Weg-leitend. Ich merke jedoch, dass sich die gesellschaftlichen Wetterverhältnisse rapide wandeln.

James R. Wood analysiert scharfsinnig:

Etwa zwischen 1994 und 2014 existierte eine “neutrale Welt”, in der das traditionelle Christentum von der umgebenden Kultur weder breit unterstützt noch bekämpft wurde, sondern von vielen eher als exzentrische Lebensoption angesehen wurde. Diese Zeit ist jedoch vorbei. Jetzt leben wir in der “negativen Welt”, in der … die christliche Moral ausdrücklich abgelehnt wird und traditionelle christliche Ansichten als Untergrabung des gesellschaftlichen Wohls wahrgenommen werden. Als ich beobachtete, wie sich die Haltung der uns umgebenden Kultur veränderte, war ich nicht mehr so zuversichtlich, dass der evangelistische Rahmen, den ich von (Timothy) Keller übernommen hatte, eine ausreichende Orientierung für den kulturellen und politischen Augenblick bieten würde. Viele ehemalige Fanboys wie ich kommen zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Der evangelistische Wunsch, Beleidigungen zu minimieren, um dem Evangelium Gehör zu verschaffen, kann verdecken, was unser politischer Momentum erfordert.

Wenn wir davon ausgehen, dass eine gewinnende Haltung auf Wohlwollen stößt, wenn Christen immer wieder heftig zurückgewiesen werden, sind wir versucht zu denken, dass unsere Überzeugungen das Problem sind. Wenn Wohlwollen auf Feindseligkeit stößt, ist es leicht, sich zu fragen: “Sind wir im Unrecht?” Auf diese Weise wird der Weg zu den Argumenten der säkularen Kultur geebnet. Eine “säkular-freundliche” Politik bringt ähnliche Probleme mit sich wie ein “sucher-freundlicher” Gottesdienst. Ein übermäßiges Bemühen um die Ansprache von Nichtchristen wird von der Versuchung zur Anpassung geplagt. Dies ist umso mehr ein Problem in der “negativen Welt”.

Kellers Philosophie des “dritten Weges” hat auch als Rahmen für moralische Überlegungen ernsthafte Grenzen. Allzu oft ermutigt sie ihre Anhänger zu einem pietistischen Impuls, die eigenen Hände sauber zu halten, sich nicht einzumischen und sich von unvollkommenen Optionen zur Lösung komplexer sozialer und politischer Fragen fernzuhalten. Sie kann auch Konfliktscheue erzeugen und ist daher instinktiv entgegenkommend. Indem man die Mängel jeder Option gleichwertig herausstellt, kann die Haltung des Dritten Weges auch den Eindruck erwecken, dass die Optionen gleich schlecht sind, und die ethische Asymmetrie nicht ausreichend anerkennen.

Anmerkung: Es geht nicht mir hier nicht um Timothy Keller selbst. Sein Zeugnis trotz Krebs und Anfeindung ist vorbildlich. Es geht um die Art und Weise, wie wir bestimmte Aspekte seines Werkes in unseren wohlstandsgesättigten Bubbles aufnehmen.