Wolfgang Bühne ist in seiner Biografie «Ich pfeif’ auf deine Frömmigkeit» schonungslos ehrlich – mit sich selbst. Eine solche Haltung wünsche ich mir auch für mich selbst. In Bezug auf seine junge Ehe schreibt er:
… so fuhren wir beide Ende August mit dem Zug nach Essen zum Ostfriedhof, um am Nachmittag vor unserer Verlobungsfeier diese feierliche Handlung zu vollziehen. Die Ringe hatte ich in meiner Jackentasche mitgebracht, und als wir endlich in Essen an- kamen und uns zum Ostfriedhof durchgefragt hatten, dämmerte es schon, es war kühl und es begann zu nieseln.
Zu allem Unglück fanden wir den Friedhof um diese Zeit schon abgeschlossen vor und so konnten wir uns nur dorthin stellen, wo wir in der Nähe das Grab vermuteten. Dort haben wir uns fröstelnd gegenseitig die Ringe angesteckt und dann habe ich gebetet, dass der Herr Jesus angesichts der Gräber, die uns sehr deutlich an den Tod und unser kurzes Leben erinnern, unser gemeinsames Leben segnen möge, um ihm zu dienen, ihn zu ehren und unseren Mitmenschen glaubwürdige Wegweiser zu sein.
Ulla hat darauf vernehmlich »Amen« gesagt und so haben wir uns dann auf den Heimweg gemacht. Dass Ulla mit sehr gemischten Gefühlen mit mir den Friedhof aufgesucht und sich den Augenblick der Ringübergabe vielleicht ganz anders vorgestellt haben könnte, war mir in keiner Weise bewusst. In meiner sicher ernst gemeinten, aber taktlosen und sehr einseitigen Frömmigkeit hatte ich keinen Augenblick darüber nachgedacht, wie meine liebe Braut diese Szene verarbeiten würde, und ich kam mir dabei in meinem Dünkel recht entschieden und hingegeben vor. Ich glaubte, Ulla damit eine würdige Einstimmung für unser gemeinsames Leben gegeben zu haben … (88)
Ulla dagegen freute sich sehr über den zu erwartenden bescheidenen Luxus und packte fleißig mit an, als es darum ging, eimer- weise Sand und Speis in die oberste Etage zu schleppen und die Wohnung zu verschönern. Sie war darin auch wesentlich begabter als ich, der ich währenddessen lieber mit den jungen Männern Fußball spielte und Bibelstunden vorbereitete, als mit Spachtel und Pinsel zu hantieren. Damals hielt ich das für eine geistliche Arbeitsteilung… (128f)
Auch im Hinblick auf die Gemeinde ist mir Bühne Vorbild:
Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass ich damals viel zu unvorsichtig vorgegangen bin und manche Brüder bewusst oder unbewusst durch meine unweise Art provoziert und überfordert habe. Ich hätte mir mehr Zeit nehmen sollen, geduldig und liebevoll Ver- trauen zu meinen Sichtweisen und Vorhaben zu wecken.
Und viel zu oft habe ich mich innerlich über Brüder hinweg- gesetzt oder abwertend geurteilt, die bestimmte Lehren und Traditionen sehr zugespitzt übernommen hatten, aber – wie ich meinte – von Nachfolge Jesu und praktischer Hingabe wenig oder keine Ahnung hatten, obwohl ich sie nicht oder nur oberflächlich kannte. (309)
… Um dem Frieden zu dienen, hatte ich einige Jahre »fest&treu« nicht mehr herausgegeben und mich bereit erklärt, mit den Freizeiten zu pausieren, keine Einladungen von auswärtigen Gemeinden anzunehmen usw. Das wurde auch von den führenden Brüdern in Worbscheid zunächst dankbar anerkannt. Man deutete sogar vor- sichtig an, dass man mich bald zum »vollzeitlichen Dienst« empfehlen könnte. (313)