Marlene Streeruwitz in “Gedankenspiele über die Toleranz” (2023) mit Bezug auf Richard Beards “Sad Little Men” (2021), in dem die Kultur der Eliteinternate kritisiert und deren Abschaffung gefordert wird.
Mit 8 Jahren kam er in eines von diesen Eliteinternaten. Er nennt solche Internate ‘totale Institutionen’. Damit meint er, dass der Schüler vollkommen der Macht der Institution ausgeliefert sei. In der Besprechung kommen dann die Rituale der Demütigungen und der Züchtigungen zur Sprache. Er schildert, wie die Militarisierung des Körpers vonstattengeht. Wie zu Beginn des Aufenthalts und gleich nach der Trennung von der Familie und der gewohnten Umgebung die kleinen Buben sich im Schlafsaal in den Schlaf weinen. Wie dann aber am nächsten Tag geleugnet werden muss, dass einer geweint hat. Weinen. Das würde bedeuten, für diese Schule unbrauchbar zu sein. Weil aber nun diesen Buben eingehämmert würde, dass diese Schule das Beste sei, was einem widerfahren könne. Und weil es das schlimmste Versagen darstellte, von den Eltern abgeholt werden zu müssen. Deshalb lernten die Kinder den Trennungsschmerz zu unterdrücken. … Nun darf ja kein Bub zugeben, über die Trennung von der Familie traurig zu sein. So würde wiederum die Empathie mit den anderen Schülern verlernt, wenn die Traurigkeit geleugnet wird. Verleugnet werden muss. Der Public School Schüler wird zu einer Person gemacht, die die eigenen Bedürfnisse und die anderer übergehen muss. Und dann kann. Ein soziales Instrument des Asozialen ist erlernt.