Die Welt ist gefüllt von Therapeuten und Managern

Kevin Vanhoozer, Systematischer Theologe, zur Freude in seinem Schaffen (hier):

I enjoy seeing connections between things – not only between doctrines but between things in everyday life. I’m interested in the history of ideas and how these ideas take on flesh and influence culture, and the church. Being a systematic theologian allows me to indulge all my interests – in literature, film, art, music – by relating them all to God.

Und noch eine Aussage:

The world is filled with therapists and managers. What the church needs now is people who can (1) articulate from the Bible the truth about God, the world, and ourselves in terms that are faithful to the Bible and intelligible in the contemporary context (2) exhort their congregations to say and do things that corresponds to the truth of Jesus Christ as attested in the Bible.

Liebe und tue, was du willst

Was gut für ihn ist, weiss der Mensch nicht von sich aus. Es muss ihm von Anfang an gesagt werden (Mi 6,8; vgl 1Mo 2,16f). (Helmut Egelkraut)

Die Gebote, die Gott den Menschen gegeben hat, sind nicht Ziel des Lebens, sondern Rahmen des Guten. Das Gesetz ist bleibende Norm für uns Christen. Weshalb?

  1. Das sorgfältige Studium des NT zeigt, dass die Alternative zur Freiheit von der Herrschaft des Gesetzes nicht die Missachtung des Gesetzes ist. Paulus rechnet sogar damit, dass im Endgericht alle Menschen nach dem Massstab des Gesetzes gerichtet werden (1Kor 7,17-19).
  2. Ein Christ lehnt also das Gesetz nicht ab wie ein „Gesetzloser“, sondern ist ein zum Leben mit den Geboten berufener Jünger (vgl. Mt 28,20). „Der Indikativ der Gotteskindschaft (Gal 4,6f) bedingt den Imperativ, im Geist zu wandeln und die Frucht des Geistes hervorzubringen (Gal 5,22f).“ (Otto Betz)
  3. Wer durch den Geist die Liebe Gottes empfangen hat (Röm 5,5), wird durch sie gedrängt und befähigt, das im Liebesgebot zusammengefasste Gesetz zu erfüllen (Röm 13,8-10). Das alttestamentliche Gesetz wird „nach der Kreuzigung Christi das Mass und der Standard des Lebens des Christen“ (Eckhard Schnabel).

‚Wir wissen aber‘, sagt der Apostel Paulus, ‚dass das Gesetz gut ist, wenn einer es ordentlich gebraucht‘ (1Tim 1,8). Dieser Ausspruch weist sowohl jene zurück, welche das Gesetz schlecht gebrauchen, als auch jene, welche meinen, es sei schlecht. (Augustinus, c. adu. Leg. II,2,8)

Wenn also Augustinus in seinem Kommentar zum 1. Johannesbrief schreibt: „Liebe, und tue, was du willst“ (ep. Io. tr. VII,8), dann predigt er keine Liebe ohne Gesetz, sondern fokussiert auf die Liebe, die den Menschen freisetzt, mit Freude das zu tun, was Gott gefällt, ganz im Sinne von Joh 14,15, wo Jesus sagt: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“

Aus dem Vortrag von Ron Kubsch an der E21-Konferenz zum Thema “Der Christ und das Gesetz”

Schlüsselerlebnisse mit Kindern (9): Was ich auf der Zugreise von einer Grossfamilie gelernt habe

Einen Tag später sitze ich vor meinem Computer. Die Zugfahrt ist vorbei, und ich staune nur: Die zwei Stunden mit der elfköpfigen Grossfamilie waren die lehrreichsten seit langem.

  1. Wenn du die nächste Generation gesund halten willst, musst du die Jungen trainieren. Er muss ganz ordentlich kochen können, über die Ernährung Bescheid wissen, stricken, waschen. Wie soll er sonst Chef sein? Dann bekommt er eine Frau, die noch nie gekocht hat. Und er weiss nur über Technik Bescheid.Also müssen ihre Jungs z. B. einen Topflappen häkeln. Nachher bekommen sie eine Axt. Zuerst schmeissen sie den angefangenen Topflappen in die Ecke. Die Motivation steigt erst kurz vor dem Abgabetermin…
  2. Es ist wichtig, dass beide Ehepartner gemeinsame Interessen teilen. Wenn beide Pflichten ausserhalb des Hauses haben und unterschiedliche Interessen, dann entfremdet man sich einander schnell.
  3. Halte Andachten während den Mahlzeiten statt vor der Mahlzeit; die Kinder essen und hören zu. Nimm dir mindestens eine Stunde Zeit für die Mahlzeit. Es geht um viel mehr als um die körperliche Versorgung.

Papis Vortrag…

war sehr lang, aber gut.

Schmunzelnd lese ich den Reisebericht meines Ältesten durch und entdecke diesen Satz – er hat mich auf einer Reise begleitet. Danke für die Rückmeldung!

Altes Testament: Hunderte von Ausführungsbestimmungen zum Gesetz

Mit meiner Familie nehme ich zur Zeit einige der Ausführungsbestimmungen durch, die Gott nach den Zehn Geboten Mose mitgeteilt hatte. Zwei Beispiele:

Ein hebräischer Sklave durfte nach sechs Jahren Dienst frei ausgehen. Wenn er aber von seinem Herrn eine Frau bekommen hatte, mussten diese und die Kinder bei seinem Herrn bleiben. Er konnte sich aus Liebe zu seiner Familie zum ewigen Dienst verpflichten. (2. Mose 21,1ff)

Das Volk wurde angehalten, die Ausländer nicht zu bedrücken – in Gedenken an die eigene Vergangenheit im Ausland. Witwen und Waisen durften nicht unter Druck gesetzt werden. Und einem Armen durfte kein Zins auferlegt werden. Ja, noch konkreter:

Wenn du je das Obergewand deines Nächsten als Pfand nimmst, so sollst du es ihm wiedergeben bis zum Sonnenuntergang; denn es ist seine einzige Decke, das Gewand, das er auf der Haut trägt! Worin soll er sonst schlafen? Wenn er aber zu mir schreit, so erhöre ich ihn; denn ich bin gnädig. (2. Mose 22,25+26)

In „zweiten Gesetz“, dem 5. Buch Mose, kommentierte und aktualisierte Mose viele Ausführungsbestimmungen im Hinblick auf die Landnahme. Ich habe ob den genauen und weisen Bestimmungen gestaunt, z. B.

Wer vom Wehrdienst ausgenommen wurde:

Und die Vorsteher sollen weiter mit dem Volk reden und sagen: Wer sich fürchtet und ein verzagtes Herz hat, der gehe hin und kehre wieder in sein Haus zurück, damit er nicht auch das Herz seiner Brüder so verzagt mache, wie sein Herz ist! (5. Mose 20,8)

Wenn jemand kürzlich eine Frau zur Ehe genommen hat, so soll er nicht in den Krieg ziehen, und man soll ihm nichts auferlegen; er soll ein Jahr lang frei sein für sein Haus und sich an seiner Frau erfreuen, die er genommen hat. (5. Mose 24,5)

Oder die Bestimmung gegen die sinnlose Abholzung von Bäumen bei der Belagerung einer Stadt:

Wenn du eine Stadt, gegen die du Krieg führst, längere Zeit belagern mußt, um sie einzunehmen, so sollst du ihre Bäume nicht verderben, indem du die Axt daran legst; denn du kannst davon essen und brauchst sie nicht abzuhauen. Ist denn der Baum des Feldes ein Mensch, daß er von dir mit in die Belagerung einbezogen wird? (5. Mose 20,19)

Oder die Bestimmungen zum Schutz der Frau:

Wenn jemand unter den Gefangenen eine schöne Frau findet, durfte er sie nicht einfach als Beutegut behandeln, sondern einen ordentlichen Übergang gestalten. (5. Mose 21,10ff)

Ebenso gab es Bestimmungen, die eine Frau davor schützte, zu Unrecht ins Gerede gebracht zu werden. (5. Mose 22,13ff).

Und was geschah, wenn jemand auf dem Weg ein Vogelnest fand?

Wenn du zufällig auf dem Weg ein Vogelnest antriffst, auf irgendeinem Baum oder auf der Erde, mit Jungen oder mit Eiern, während die Mutter auf den Jungen oder auf den Eiern sitzt, so sollst du die Mutter nicht samt den Jungen nehmen; sondern du sollst die Mutter auf jeden Fall fliegen lassen, und die Jungen kannst du dir nehmen, damit es dir gut geht und du lange lebst. (5. Mose 22,6-7)

Wenn auch manche Anordnung uns fremd anmutet, müssen wir bedenken: Gegenüber den damaligen Verhältnissen stellen die Bestimmungen eine Verbesserung dar. Und es ist überaus interessant, die dahinter stehenden Ordnungen Gottes zu entdecken.

Fünf Leitfragen zur Erziehung von Jungs

Doug Wilson beschreibt in seinem Buch “Future Men” fünf permanente Aufgabenfelder in der Erziehung von Jungen. Beim ersten Lesen empfand ich diese Sicht etwas “altbacken”, doch beim Nachdenken wurde mir bewusst, wie ausgewogen diese Sicht ist.

  1. Herrschaft: Der Mann wurde geschaffen, um über die Erde zu herrschen (siehe Schöpfungsbericht, 1. Mose 1,26-28; der Auftrag wurde nach der Sintflut wiederholt, 1. Mose 9,1). Jungs wollen immer etwas haben, das sie erobern und beherrschen können. Die entscheidende Aufgabe ist nun, sie anzuleiten ihre Energie in Gehorsam zu diesem Mandat zu kanalisieren. Frage: Was haben deine Jungs, was sie erobern können?
  2. Ehemänner: Männer wurden von Gott nicht nur dazu geschaffen, Dinge zu entdecken und zu erobern, sondern auch das Eroberte zu verwalten und zum Blühen zu bringen. Frage: Was haben deine Jungs, was sie verwalten und pflegen können?
  3. Retter: Männer haben auch den tiefen Wunsch zu retten. Jungs haben deshalb das Bedürfnis, jemanden zu haben, den sie verteidigen und im Kampf vertreten können. Frage: Wen könnnen deine Jungs schützen, retten, verteidigen?
  4. Weise: Jungs sollen weise werden. Wir müssen ihnen also beibringen zu sutideren, zu lernen, Bücher zu lesen, zu diskutieren, zu disputieren. Zu leicht geben wir uns mit den “Outdoor”-Aktivitäten zufrieden. Dabei brauchen sie auch Futter für ihren Geist. Frage: Welche Inhalte haben deine Jungs zu verfügen, um geistig zu wachsen?
  5. Träger von Gottes Herrlichkeit: Jungs müssen angeleitet werden, wie sie ihre Verantwortung leben können. Sie sollen, so sagt es Paulus, Gottes Herrlichkeit repräsentieren. Frage: Welches Lernfeld haben deine Jungs, um ihrem Herrn ähnlicher zu werden? 

Schlüsselerlebnisse mit Kindern (8): Ein anderes Verständnis von Zeit

Die Rückfahrt war für 10.00 Uhr geplant. Wir kamen eine gute Stunde vor der Abfahrt beim Bahnhof an. Ich setzte mich mit dem Gepäck in ein Kaffee, der Rest der Familie schwärmte in die Stadt aus, um einige Kleinigkeiten zu erwerben. Ich trank eine Tasse Tee und las im Neuen Testament. 10.45, 10.50, 10.55. Ich war schon unruhig geworden und betete, dass ich die Freude in Jesus in diesem Moment behalten würde. Da kamen sie daher gestürmt. Der Zug brauste davon, wir standen verdattert da. Tränen in den Augen, das ist kein „Schleck“ mit Kleinkindern, wenn die Rückreise nochmals eine Stunde länger dauert. Ich erkundigte mich, wann die nächste Verbindung gehen würde. Reservierung weg, Zug voll, zweimal mehr umsteigen, Reisezeit verlängert. Wir sind müde, die Kinder auch. Ich entdecke eine neunköpfige Familie, die eben auch am Bahnhof eingetroffen ist und in die gleiche Richtung fährt. „Wir sind einfach mal gefahren und schauen jetzt, wann es eine Verbindung gibt.“ In diesem Moment wird mir bewusst: So unflexibel sind wir, zeitlich gebunden, eingeparkt. Welche innere Weite entsteht im Wissen, dass wir dies hinnehmen und gespannt sein dürfen, was wir durch die verpasste Verbindung gewinnen würden. Mit Jesus unterwegs zu sein ist oft anstrengend und selten bequem, doch spannend.

Eigentlich ist diese kleine Begebenheit ein Spiegel für unser gesamtes Leben: Wir sind so fixiert auf unsere Pläne und (vielleicht dadurch?) so wenig offen für das, was Jesus uns bereithält. (Anmerkung: Ich schreibe diese Zeilen auf dem Bahnhof, frierend und gespannt auf das, was uns in den nächsten Stunden erwartet. Die wartende freudige Haltung gibt Ruhe.)

Wilson über seinen theologischen Kurswechsel

Doug Wilson schreibt über die Konstanten und die Wechsel in seinem Leben als Christ:

The emphases of the home I grew up in — for which I continue to thank God — were absolute faith in the Scriptures, an emphasis on practical obedience, a commitment to the foundational necessity of the new birth, and a contrarian bent. It didn’t matter what everybody was saying, it mattered what God was saying.

(…) There were three great doctrinal shifts. I didn’t see the coherence of them at the time, but later I could see exactly how God had blessed me. The first great shift happened in the mid-eighties, when I became postmillennial. The second occurred in the late eighties, when I became a Calvinist. And the third happened in the early nineties, when I became a paedobaptist. In between the second and third one, I came to a Calvinist understanding of sanctification, in distinction from my earlier perfectionism.

Den theologischen Kurswechsel begründet er so:

I wanted my life to line up with what the Bible taught, and not just in the realm of ethics. I wanted what was happening to me, and what was happening in the world around me, to be what the Bible was talking about. I wanted everything to be integrated, and internally consistent, and I wanted it to happen without forcing the Bible to say things it didn’t say. That meant, in effect, that I had to stop saying certain things that I was saying.

Am letzten Abschnitt kann ich für mein eigenes Leben nahtlos ein “Amen” dazu setzen.

Bis zum 18. Altersjahr 200’000 Gewalttaten gesehen

Spitzer gibt Eltern zu bedenken, die sich verunsichert fühlen, weil sie den schädlichen Einfluss der Bildschirm-Medienmedien auf ihre Kinder bemerken, aber bei Abstinenz ein Aussenseiterdasein ihrer Sprösslinge befürchten:

Wenn also, wie die amerikanische Akademie für Kinderheilkunde feststellt, Kinder bis zum Alter von 18 Jahren 200‘000 Gewaltakte allein im Fernsehen gesehen haben, dann wäre es besser, wenn wir alle zu Aussenseitern würden!

Manfred Spitzer. Vorsicht Bildschirm! dtv: München 2011 (7. Auflage). (257)

Der substanzlose Weiterbildungsmarkt oder vom Zwang, den eigenen Lebenslauf zu konstruieren

Immer mehr Menschen nehmen sie in Anspruch, immer mehr wird sie von politischen und sozialen Interessen in Anspruch genommen und immer mehr wird die überkommene aufklärerische Intention von einer gegenläufigen Tendenz durchkreuzt. Die beschleunigte Umwälzung der ökonomischen und technologischen Basis der Gesellschaft fordert ihren pädagogischen Preis: Fassbar wird er z. B. im expansiven Zwang zum Dauerlernen, in dem sich der strukturelle Widerspruch von Fremd- und Selbstbestimmung handgreiflich zuspitzt: die Bildungsprozeduren im Zwangskorsett der Moderne kehren sich schliesslich gegen sich selbst. Das expandierende, hochdifferenzierte, funktional operierende Qualifizierungsgeschäft läuft mehr und mehr leer. Zielte es einstmals aufs Subjekt, genauer: auf die selbsttägige, kritische Aneignung seiner Lebensumstände, so löst der forcierte Weiterbildungsmarkt diesen Zusammenhang ausdrücklich auf. Er setzt auf den permanenten Durchfluss von Qualifikationen, in die die Verfallszeiten gleichsam schon eingebaut sind. Paradox formuliert: Der Erfolg des modernen Weiterbildungssystems ist seine Substanzlosigkeit. Es bleibt funktionalistischer Theorie überlassen, dies als blossen Gewinn zu verbuchen: als Universalisierung von Lernen und Qualifizierung, als wachsenden Zwang, den eigenen Lebenslauf zu konstruieren.

Ludwig A. Pongratz. Untiefen im Mainstream. Zur Kritik konstruktivistisch-systemtheoretischer Pädagogik. Ferdinand Schöningh: Paderborn 2009. (15)