Vorträge “Verstehst du auch, was du liest?” (53 Minuten; 44 Minuten)
2020 habe bereits über drei Instrumente für ein besseres Verständnis der Bibel sowie ihrer Anwendung auf aktuelle gesellschaftliche Fragen referiert (“Drei systematische Hilfen, um die Botschaft der Bibel mit unserem Alltag zu verknüpfen”).
Wie kann ich als Bibelleser Texte lesen und verstehen? In vier Schritten leite ich folgendes Vorgehen her:
- Meine eigene Fragestellung formulieren und der Fragestellung eines Textes (einer Sinneinheit) gegenüberstellen. Viele Schwierigkeiten kommen daher, vorschnell die eigene Frage in Bibeltexte hineinzulesen. Hilfreich ist zudem ein gesundes Hinterfragen der eigenen schwelenden Lebensfragen anhand der Fragen: Was irritiert – beunruhigt – ängstigt mich?
- Wir sind mit einer vorher nie gekannten Fülle an Texten, Predigten und Büchern gesegnet worden. Der Blick zurück in die Kirchengeschichte und das Gegenüberstellen verschiedener Sichtweisen von Menschen, die sich unter die Autorität von Gottes Wort stellen, ist eine wichtige Unterstützung zur Erarbeitung. Ich empfehle die Serie “Counterpoints: Bible and Theology”.
- Manche Frage erledigt sich durch das sorgfältige Lesen des Textes selbst. Infolge mangelnder Lesegewohnheiten sind wir uns gewöhnt, einzelne “Snippets” zu pflücken und in die eigene Lebenscollage einzuarbeiten. Besser erkunden wir Begriffe im Satz – Sinnabschnitt – Buch – Werk des Autors – innerhalb der beiden Testamente (siehe “Die Bibel als Zwiebel”).
- Anwendung beginnt mit sorgfältigem Lesen. Anhand von sieben Fragestellungen können wir einen Bibeltext mit unserem Leben in Zusammenhang bringen: a) Aussage des Textes, b) Bedeutung für die ersten Adressaten, Aussage c) über Gott und d) über die Menschen, e) Erwartungen an den Leser, f) Hinweise für den Umgang mit anderen Menschen, g) Anregungen für das Gebet
Die radikale Leserorientierung durch postmodernistische Konzepte führt zu einer ungesunden Einseitigkeit, insbesondere der Überbetonung kultureller Unterschiede und damit Distanz zum Text (siehe “Die Unterschiede im Leserverständnis nicht überschätzen” und “Als Westler den Zugang zur Bibel wiedergewinnen”).