Input: Deutliche Bruchlinien auch innerhalb konservativer Evangelikaler

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Kürzlich habe ich über die symptomatischen Spannungen in der Bethlehem Baptist Church berichtet. Ich wurde zudem auf zwei Berichte aufmerksam, die sich in systematischer Sicht derselben Problematik annähern.

Kevin DeYoung sieht eine Zersplitterung der reformatisch-evangelikalen Christen in den USA. Zwischen 2000 und 2014 habe es zwar “die üblichen Meinungsverschiedenheiten über die Sakramente, die geistlichen Gaben, die Gemeindeordnung und die Art des Gottesdienstes (gegeben). Aber das ‘Team’ wurde durch eine Reihe wichtiger theologischer Überzeugungen zusammengehalten.” Seit einer Reihe von Jahren beobachtet er jedoch eine neue Tendenz. “Das größte Problem ist die ethnische Zugehörigkeit und alles, was damit zu tun hat (z. B. Schießereien bei der Polizei, Kritische Rassentheorie, Trump). Aber es ist nicht nur die ethnische Zugehörigkeit, die uns trennt. Es sind vielmehr unsere unterschiedlichen Instinkte und Empfindlichkeiten, unsere abweichenden Ängste und Verdächtigungen, unsere verschiedenen intellektuellen und kulturellen Neigungen.”

DeYoung ortet vier Gruppen:

  1. Die Zerknirschten (Contrite): “Schauen Sie sich die Mitschuld der Kirche an vergangenen und gegenwärtigen Übeln an. Wir waren blind gegenüber Ungerechtigkeit, Vorurteilen, Rassismus, Sexismus und Missbrauch. Was die Welt braucht, ist eine Kirche, die sich zu ihren Sünden bekennt und in ihrer Zerrissenheit daran arbeitet, sie wiedergutzumachen und zu überwinden.”
  2. Die Mitfühlenden (Compassionate): “Sehen Sie sich die vielen Menschen an, die in unserer Mitte und in der Welt leiden und trauern. Jetzt ist es an der Zeit, zuzuhören und zu lernen. Jetzt ist es an der Zeit, mit denen zu weinen, die weinen. Was die Welt braucht, ist eine Kirche, die die Liebe Christi demonstriert.”
  3. Die Vorsichtigen (Careful): “Sehen Sie sich die moralische Verwirrung und intellektuelle Nachlässigkeit an, die unsere Zeit kennzeichnet. Achten wir auf unsere Sprache und unsere Definitionen. Was die Welt braucht, ist eine Kirche, die sich auf das Beste ihrer theologischen Tradition stützt und den Weg weist, um die Herausforderungen unserer Zeit zu verstehen.”
  4. Die Mutigen (Courageous): “Schauen Sie sich den Kompromiss der Kirche mit dem Zeitgeist an (wenn nicht gar ihre Kapitulation vor ihm). Jetzt ist die Zeit für einen Fanfarenstoß, nicht für einen Rückzieher. Was die Welt braucht, ist eine Kirche, die die Abtrünnigen ermahnt, vor Gefahren warnt und als Bollwerk für die Wahrheit einsteht, egal wie unpopulär sie ist.”

Er typisiert entlang verschiedener Beispiele. Ich greife zwei heraus:

  • Kritische Rassentheorie: Voller guter Einsichten / das Schlechte aussortieren, das Gute behalten / Die Kernkonzepte stehen im völligen Widerspruch zur christlichen Überzeugung, aber wir sollten nicht willkürlich mit Etiketten um uns werfen. / Die Kirche auf dem Weg zum (theologischen) Liberalismus
  • Trump: Nein! Die Loyalität der Kirche Trump gegenüber ist das deutlichste Zeichen für ihren geistigen Bankrott. / Eine Frage der christlichen Freiheit, aber es gibt gute Gründe, Trump zu kritisieren / Ja, er ist nicht perfekt, aber er hat sich gegen die gottfeindliche Agenda der Linken gestellt.

DeYoung beschreibt dann folgende Beziehungsdynamik:

Die 1er und 4er können auch am stärksten separatistisch sein, wobei einige Stimmen (unter den 1ern) einen Exodus aus den weißen evangelikalen Räumen und einige Stimmen (unter den 4ern) die Ausschluss der Woken ermutigen. Die 2er und 3er appellieren eher an die Einheit oder fordern zumindest ein besseres Verständnis für alle Seiten, was für beide Enden des Spektrums zu schwammig klingen kann. Das Bemühen der 2er und 3er, einen Mittelweg zu finden, wird dadurch erschwert, dass viele 2er wollen, dass ihre Freunde unter den 3ern die gefährlichen 4er verurteilen, während die 3er wollen, dass ihre Freunde unter den 2ern weniger Sympathie für die 1er zeigen.

Ähnliche Tendenzen werden in einem anderen Blogbeitrag für den gesamten Evangelikalismus geortet. Die Hauptbruchlinien liegen gemäss diesem Beitrag zwischen den Neo-Fundamentalisten und den Neo-Evangelikalen sowie den Mainstream-Evangelikalen und den Post-Evangelikalen.

Ich befürchte, dass sich eine solche Beziehungsdynamik “en miniature” auch im deutschsprachigen Raum abspielen können. In einem Jahresanfangsbeitrag “Geschwächte konservative Kirchgemeinden” habe ich diese bereits in Worte zu fassen versucht.