Input: Gresham Machen, Liberalismus und Barth

James Cassidy, Verfasser von God’s Time For Us: Barth on the Reconciliation of Eternity and Time in Jesus Christ (2016) hielt anlässlich von Gresham Machens 100-Jahre-Jubiläum von “Christentum und Liberalismus” eine Vorlesung, in der er Machens Postulate bezüglich Liberalismus mit den Positionen Barths verglich (Christianity, Liberalism, and Barthianism), wobei er zuerst Machens Aufsatz Karl Barth and “The Theology of Crisis” vorstellt.

(Minuten 20+21) Infolge Barths zweifachem Konzept von Zeit und Geschichte ist die einzige Geschichte, die für die Theologie von Bedeutung ist, Gottes transzendente Gnade in Christus. Unsere kalenderbasiserte Geschichte besitzt keine Fähigkeit zur Offenbarung, daher kann unsere Geschichte nicht die Grundlage für Theologie sein – ausgenommen als Zeugnis für Gottes besondere Geschichte im oberen Bereich.

Barth hat aus diesem Grund die Arbeit der höheren Bibelkritik und der biblischen Auslegung nicht vollständig abgelehnt. Deshalb ist die Bibel nach Barth nicht inspiriert. (und) … kann die Geschichte der Bibel nicht unsere Theologie bestimmen… Die Bibel ist für Barth keine Offenbarung, sondern einfach eine fehlbare, diesseitige, wenn man so will, Zeugenschaft der Offenbarung, die sich ‘dort oben’ abspielt. Also ist nicht nur ihre Aufzeichnung der Geschichte nicht entscheidend für die Theologie nach Barth, sondern dies betrifft ebenso ihre Interpretation der Bedeutung dieser Geschichte. Diese ist eine Gemeinsamkeit mit dem theologischen Liberalismus.

Von diesem Punkt aus zieht Cassidy Schlussfolgerungen für die weiteren Zentrallehren des christlichen Glaubens:

Wenn Menschen sagen, dass wir Gott nur so kennen, wie er sich in Jesus offenbart, dann leugnen sie jede wirkliche Erkenntnis Gottes. Denn wenn es keine Vorstellung von Gott gibt, die unabhängig von Jesus ist, hat die Zuordnung der Gottheit für Jesus keine Bedeutung. Zu sagen, Jesus ist Gott, ergibt keinen Sinn, es sei denn, das Wort Gott hat eine ihm vorausgehende Bedeutung. Der Liberalismus behauptet also zusammenfassend, dass Gott nur durch unsere Gefühle einerseits oder durch Jesus andererseits erkannt werden kann, was für den Liberalismus in seinem konsequentesten Punkt eigentlich ein und dasselbe ist. Gott offenbart sich dem Liberalismus zufolge nicht in einer unfehlbaren Bibel oder durch die Natur im Allgemeinen. Während Barth seine eigene Vorstellung von der Gotteserkenntnis darlegte, die die Liberalen beleidigen würde, gibt es hier einen Punkt signifikanter Konvergenz. Barth verortet wie der Liberalismus die Offenbarung Gottes ausschließlich in Jesus Christus… Bart leugnet auch, dass Gott sich entweder in einer unfehlbaren Bibel oder in der Natur offenbart. Dies ist zwar kein eigenständiger Ansatz, den man im Liberalismus oder bei Barth findet, letztlich haben beide diesen Punkt gemeinsam.