Aus: Arnold Huijgen, Calvin’s Old Testament Theology and Beyond: Paradoxes, Problems, and Comparisons with the Approaches of Arnold van Ruler and Kornelis Heiko Miskotte, in: The Oxford Handbook of Calvin and Calvinism (2021)
Für Calvin ist die Einheit von Altem und Neuem Testament primär und die Unterscheidung zwischen zwischen den beiden sekundär. Diese Einheit ist mehr als eine bloße Ähnlichkeit: Sie ist eine Identität; “die beiden sind eigentlich ein und dasselbe” (Inst. 2.10.2).
Der Unterschied zwischen dem Alten und dem Neuen Testament ist ein gradueller Unterschied, nicht ein Unterschied der Art. Das Neue Testament ist klarer als das Alte Testament, aber das bedeutet nicht, dass das Alte Testament selbst unklar wäre.
Die Beziehung zwischen dem Alten und dem Neuen Testament ist dynamisch und eschatologisch aufgrund des Fortschreitens der Zeit.
Paradox 1: Ungeachtet Calvins Betonung der substantiellen Einheit von Altem und Neuem Testament zieht er eine scharfe Trennung zwischen einigen alttestamentlichen Phänomenen und dem Neuen Testament, ja sogar eine Zäsur. Calvin betrachtet beispielsweise Musikinstrumente im Gottesdienst als ausschließlich zum Alten Testament gehörend.
Paradox 2: Ein zweites Paradoxon besteht darin, dass Calvins positive Exegese des Alten Testaments in Bezug auf das jüdische Volk wegen der Einheit des Bundes ganz auf die Vergangenheit konzentriert.
Die Bedeutung des Mittleramtes Christi für Calvins Umgang mit dem Alten Testament
kann kaum überschätzt werden. Christus war “schon von Anfang an Vermittler” (CO 9:350), “weil er immer das Band der Verbindung zwischen Gott und Mensch war” (CO 28:548). Obwohl Christus nach dem Alten Testament nur ein “schattenhafter (umbratilis) Vermittler” (CO 32:347) und in Bezug auf seine leibliche Erscheinung abwesend war, war er war er dennoch als einziger und einzigartiger Vermittler präsent, zum Beispiel als Engel des Herrn, der die Führung Israels in der Wüste übernahm (CO 24,153). Das Mittleramt Christi ist also nicht nur auf die Erlösung beschränkt, sondern gehört bereits zur Struktur der geschaffenen Wirklichkeit, denn “auch ohne Sünde wäre der menschliche Zustand zu niedrig”, um ohne Mittler zu Gott zu gelangen (Inst. 2.12.1)
Calvin erklärt Gebote und göttliche Zugeständnisse, die er als barbarisch ansieht (wie die Freilassung eines Sklaven ohne seine Familie freizulassen oder die Duldung der Rache am Bruder) als Anpassung an die die Herzenshärte der Israeliten.