Interview: Timothy Keller zur Kultur, zur Kirche und zu einigen Vorwürfen

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Blogger Sergej hat ein Lebens-rückblickendes Interview mit Timothy Keller übersetzt. Einige Auszüge:

Bedrohung durch säkulare Ideologie: Ich denke, in den Vereinigten Staaten ist die zweitgrößte Bedrohung eine neue progressive, säkulare Ideologie, die zunehmend die akademische Welt, die Regierung, die Welt der Unternehmen und die Mainstream-Medien beherrscht. Sie ist gegen Redefreiheit und zutiefst gegen religiöse Menschen, die viele Aspekte ihres Glaubens in der Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen oder praktizieren.

Herrschaft des soziologischen Denkens: Was sich seit 1989 verändert hat, sind mindestens folgende Dinge. Damals war die säkulare Kultur vom Psychologischen Denken beherrscht. Jeder war Teil von Selbsthilfegruppen und sprach über Co-Abhängigkeit, Selbstwert und andere therapeutische Themen. Heute wird die säkulare Kultur vom Soziologischen Denken beherrscht. Die Betonung des therapeutischen Individualismus ist immer noch vorhanden, ist jedoch gewissermaßen durch Gruppenidentität und Themen wie Macht und Gerechtigkeit verdrängt worden.

Reformierte Glaubensbekenntnisse: Wenn überhaupt, dann wertschätze ich die Weisheit und die Wahrheit der reformierten Glaubensbekenntnisse sogar noch tiefgründiger, insbesondere die Westminster Standards meiner eigenen Denomination. Bei einer Vielzahl an Fragen hinsichtlich des Bekenntnisses – wie das Verständnis dessen, welche Rolle das „regulative Prinzip des Gottesdienstes“ spielt, und wie wir den Sabbat halten – habe ich meinen Standpunkt nicht verändert, seit ich meiner Denomination beigetreten bin.

Freundlich zu Atheisten: Vor kurzem habe ich einen Atheisten (Greg Epstein) beglückwünscht, der zum leitenden Kaplan in Harvard berufen worden war. Er ist ein Mann, dessen Sichtweisen ich öffentlich diskutiert habe, und in den Akten steht, dass ich seinen atheistischen Überzeugungen widersprochen habe. Trotzdem war er auch zu mir freundlich und ist ein Mann, den Insider als fair kennen. Er ist offen und erlaubt allen Kaplanen – sogar evangelikalen – ihren Dienst zu tun, anders als es andere leitende Kaplane in Harvard in der Vergangenheit getan haben. Trotzdem drückten viele in den sozialen Medien ihre Überzeugung aus, dass man, wenn man Atheisten und Liberalen Freundlichkeit erweist, zumindest selbst ein heimlicher Liberaler sein muss. 

Institutioneller Rassismus: Trotzdem glaube ich, was die Bibel lehrt (und was auch die amerikanische Schwarze Kirche uns jahrzehntelang gesagt hat) – dass es nämlich so etwas wie „systemischen“ oder „institutionellen Rassismus“ gibt. Das bedeutet, dass es gesellschaftliche Strukturen gibt, welche gewissen Gruppen oder Schichten von Menschen benachteiligen, selbst wenn alle, die innerhalb der Struktur arbeiten, persönlich und individuell in ihren Glaubensüberzeugungen und Einstellungen nicht rassistisch (oder sexistisch, etc.) sind.Es gibt viele, die darauf bestehen, dass jeder, der an systemischen Rassismus glaubt, automatisch ein Vertreter der kritischen Rassen-Theorie ist. Das ist nicht wahr. Ich zeige in einem Artikel über dieses Thema, dass dieses Konzept in der Schrift gelehrt wird.

Ich habe von Keller sehr profitiert. Den Ertrag habe ich in meinem eBook “Christliche Weltsicht und Säkularismus” zusammengestellt. Er half mir insbesondere, den Säkularismus als eigenes Glaubenssystem zu enttarnen. Gleichzeitig sehe ich einige gesellschaftliche Veränderungen, die Aufgabe und Ringen der nächsten Generationen darstellen werden. Rebecca McLaughlins zwei neu übersetzte Bücher “Kreuzverhör” und “10 Fragen über Gott, die sich jeder Mensch stellen sollte” sehe ich als Fortsetzung dieses vorbildlich gelebten Anliegens von Timothy Keller.